Dranmor VIII,6

(Das Ambulante)

Ambulante Tage, wenn man sich ruhig verhält. Wenn man lernt oder zu lernen vorgibt, zeigen sich die Medizinmänner versöhnlich und ihrerseits eine gewisse Flexibilität. Kann man Räume kennen lernen, die auch ins Aussen spielen. Einen Innenhof, beispielsweise, der von jemandem Garten genannt wurde und nun im Mai zerrinnt.

Aber der Ruf des Sabia. Eine offene, eine tatsächliche Landschaft mit fast stummen Bewohnern. Und die monotonen Rituale. Morgens zwei. Mittags zwei. Abends drei. Wird schon wieder. Wenn man sich ruhig verhält und die Einnahme vortäuscht, fällt das Interesse ab von der eigenen Person. Ich entsorge die Tabletten nach dem verhaltenen Ausspucken durch einen kleinen Wurf hinter die Mauer.

Ein attraktiver Ort, wie mir versichert wurde. Und so produktiv, ich hätte ja selbst Einblick nehmen können, auch wenn mir das nicht besonders gut getan hätte. Und eine Bibliothek gäbe es auch, und dann und wann ein Orgelkonzert. Später vielleicht. Bald. Und ein kleiner Park, in dem es sich schön kreisen lässt.

Ich trete einen Schritt hinaus aus dem Hof, in diesen Parcour. Grüne Steppe. Ein paar vereinzelte Läufer, denen ich in gebotenem Abstand folge. Man raucht und flüstert. Und die mechanischen Vögel und das manischfrische Gras. Nach einer halben Runde lässt sich die Struktur des Gebäudekomplexes überblicken: zwei ineinander geschachtelte Quadrate. Mehrstöckigkeit. Verwaltung.

Ganz kurz der Eindruck, dass hier ein Gegenteil realisiert wurde. Ein Antibrasilien mit ein paar Antivögeln am Rande der Antistadt.

Stifte, Zettel und Bücher mussten leider weggenommen werden. Sie wollen doch gesund werden. Aber wahrscheinlich: damit dieser Ort nicht schriftlich wird. Man kann daraus einen heimlichen Auftrag ableiten, es doch zu tun. Ich vollende die erste Runde, dann schere ich aus. Zurück ins Gebäude, hier ein bescheidener Gruss und dort und sie sollten hier keine Kugelschreiber herumliegen lassen, wenn Äusserungen nicht erwünscht seien. Man könnte sie gegen sie verwenden. Gegen diesen Ort.

Ob ich denn schon müde sei? Das sei ein gutes Zeichen, aber ich könne, wenn ich wolle gerne noch etwas länger Luft schnappen. Aber wenn ich mich etwas zurückziehen wolle …

In den kleinen Schlauch. In die Gebärmutter. In den florierenden und pulsierenden Darm. Die verwachsene Nische über Wurzeln, Ameisenhaufen, vorbei an tropischen Gewächsen, die Schutz und Rückzug bieten, auf die Pritsche.

Die Fussmatte ist nach reiflicher Beobachtung und Überlegung das beste Versteck. Die tägliche Inspektion ignoriert diesen Teil. Trotzdem riskant, die wenigen gebliebenen Aufzeichnungen, Exzerpte und Teile des Buches darunter zu verstauen. Die nicht mehr Gesammelten Dichtungen, die nun gewaltsam Ausgewählten Dichtungen: ein gefleddertes, ausgedünntes Übriggebliebenes, das noch zu retten war. Und sich so entschlackt aus einem gleichmässig Apokryphen herausschälte: etwa acht Gedichte. Das zum peinlichen Bekenntnis gewordene Vorwort. Das Frontispiz, das allerdings an einer anderen Stelle verborgen wird.

Welche Seite, welche Rückseite muss geopfert werden und graviert, um diesen Ort zu entlassen. Die Exzerpte bieten sich an. Nimm uns, wir sind so frei!. Ich müsse doch nichts auf die vergilbten Blätter füllen. Auf und zwischen die Zeilen und die Lesbarkeit verringern. Hier, genug Raum für uns alle, die Kolonisationsberichte, die sich als geringstes Verlustgeschäft anpreisen. Ich wende sie und versuche einen Titel zu schreiben.

Grosse Enttäuschung. Die Mine ist ausgetrocknet. Anstelle eines harzigen blauen Films gräbt sich ein Loch in das Blatt und die zwei darunter liegenden. Ich muss das Gerät zerlegen. Eine rostige Feder springt heraus und an einem Auge vorbei ins Unterholz. Ein völlig impotentes Instrument, ein stillgelegtes Bergwerk, aus dem nichts mehr herauszupressen ist. Die Einzelteile wandern hinterher in die Büsche.

Die ausgehobenen Löcher lassen sich wieder decken und ich lege das Dossier zusammen mit dem Zufallskanon Dranmors und seinem Vorwort wieder unter die Matte.

Es wird Abend. Die letzten Vögel singen ihr mechanisches Lied und es ist noch mit Besuch zu rechnen.

Die Bäume, der berauschte Mond, ein paar halbe Sterne versuchen sich an einen Namen zu erinnern. Segle nicht wieder fort, / Robin Adair! / Bleibe im sichern Port, / Robin Adair; / Glücklich werden wir sein! / Ja, dieses Herz ist dein: / Laß es nicht mehr allein, / Robin Adair! //. Nein, ich fühle mich nicht angesprochen, beschwichtige die losen Blätter und streiche über die Radierung. Gegen das Fenster, hinaus: Es tue mir leid, ich müsse weg. Und, das müssten sie doch verstehen. Es sei ja nichts auszurichten, hier. Ein anderes Mal, vielleicht. Das Tuten eines Dampfers in der Ferne.

Ich beschränke mich auf das Nötigste. Gehe, wie ich kam, an der ersten Lichtung rechts, und schliesse die Türe lautlos. Ich muss noch mal wo hin – ein Personal nickt. Im sogenannten Garten steht noch etwas Abendluft und verteilt sich langsam hinaus in das Rund des Parks. Meine Hose und das T-Shirt werden ein wenig von einer stachligen Hecke und dem dahinter liegenden Zaun in Mitleidenschaft gezogen. Es ist nicht mehr weit: in der Ferne leuchtet ein Schild mit grossem H.