überschreibungen 16

(briefchen)

unglaubwürdig? vielleicht etwas unvorbereitet. aber um die vorbereitung gehe es ja. sie meint, man hätte schon viel früher hinweise darauf geben müssen, dass es sich bei dem erzähler vielleicht um einen drogen- oder medikamentenabhängigen handelte, der sich nun ausreichend stoff in briefchen besorgt, um überhaupt eine etwas längere reise unternehmen zu können. ich will ihr die offensichtlichen anspielungen klarmachen: dass der erzähler schon immer ein stoffsuchender war. warum sonst hätte er sich an dranmor festgebissen und wurde von ihm abhängig, ohne auch nur das geringste über ihn zu wissen. er (dranmor) ist natürlich ein mittel zum zweck. genau darum gehe es, auch, wenn die beschaffungsszene im park als analogie vielleicht etwas unvermittelt komme. diverse symptome wurden schon im vorlauf eingebaut, aber, vielleicht habe sie recht: vielleicht muss man da noch die eine oder andere passage einbauen. und dass er seinen stoff in einem briefchen bekomme, das sei naheliegend, aber auf dieses wortspiel werde ich nicht verzichten. sie seufzt.

im übrigen bleibe völlig offen*, was denn in diesem briefchen sei. als könne ein text keine süchtigmachende substanz sein … (). als problematisch dagegen kann man vielleicht in der passage davor (VI,3 – Noch ein Kartenspiel) die verwendung derselben (anderen) typographie wie bei den exzerpten (vgl. Aus den Aufzeichnungen II) bezeichnen. die hineinmontage also eines weiteren tagebuchähnlichen textstückes aus der näheren vergangenheit des erzählers und damit eines briefes an sich selbst. (). problematisch, aber auch in einer gewissen form konsequent, handelt es sich doch bei beiden gleichermassen um texte, die auf ähnlicher ebene vom erzähler (falsch?) neu- oder umgedeutet werden. die damit vielleicht aber genau das pathologische dieses charakters markieren. bei dem einen part passiert die umdeutung über z.b. unzulässiges exzerpieren, beim anderen schon () durch das schiere beharren auf die wirksamkeit (und wahrheit) von etwas geschriebenem, noch dazu dem eigenen. (Man hat das vielleicht notiert, weil man Regeln notieren muss, sonst bleiben sie unwirksam, steht in einem Heft.) * anmerkung: dieses erzählerische mittel wird auch schon deswegen benötigt, weil der erzähler in der darauffolgenden passage und damit in dem neuen kapitel VII (das barcelona-kapitel) nicht nur einen schauplatzwechsel unternimmt: auch seine wahrnehmung (und/oder: halluzinationsstufe und folglich: sprache) ist von einer (toxischen) verschiebung betroffen. CONTAINER: kein Kommentar.

(zu dranmor VI,2a-VI,6; übersicht überschreibungen)

überschreibungen 15

(satzzeichenlesen)

die passagen VI,1a (Der Keller, das Dach, die Räume dazwischen) und VI,1c (Drei Vögel Feuer) wurden schon auf einer lesung vorgestellt und daher vorher überarbeitet. wie günstig, denke ich, und: ich werde sie unberührt lassen. darauf stelle ich mir die frage, ob das noch in ein überschreibungenkapitel hineingehörte, befinden sich doch diese teile nicht vielleicht schon auf der nächsthöheren (bearbeitungs-)ebene. vielleicht, muss man sagen, wurden sie durch ihr gelesenwerden schon ein zweites mal überschrieben. nicht auf dem papier oder in digitaler form, aber in ihrer umformung oder übersetzung durch laut und lippe. sie stehen dann als solitäre im raum und wissen nicht wohin. daran schliesst sich natürlich die generelle frage, ob der gelesene text noch mit dem stummen verwandt ist. die frage ist natürlich schon lange entschieden und soll hier nicht weiter erörtert werden. (nein, ich will hier auch gar nicht zu einem schwelenden bloglesungsdiskurs beitragen). (und: ich weiss, man kann mir auch an dieser stelle intentionalismus vorwerfen: wenn ihrs nicht fühlt … o.ä.). es gibt sie und sie sind originär: die laute. die pausen. die satzzeichen, in denen man sich individuell ausbreitet, und: es hat natürlich auch mit der autorschaftsfiktion zu tun (), die sich in so einem kontext ändert. kommentare? kommentare gab es in diesem falle mündliche. und zuspruch. analog: man kommt zu dem schluss, die bearbeiteten und gelesenen weblogtexte sind andere texte: flüchtige. (und flüchtig auch die kommentare). umgekehrt?: ist das reden und sprechen generell nichts anderes (in dieser metapher) als das betreiben eines weblogs in höchster flüchtigkeit. warum also das geschrei? oder besser: rauschen.

sie lacht. zufall? gerade sei sie wieder über adornos essay über die satzzeichen in einer zeitschrift gestolpert. demnach müsse ich meine zeichensetzung ordentlich überarbeiten. die vielen ausrufezeichen: erhobene, mahnende zeigefinger. die doppelpunkte: schreiende oder hungrige offene mäuler. und viel zu wenig gedankenstriche. mit klammern sollte man auch vorsichtig sein. sie erzählt mir von dem vergleich mit den schnauzbärten. wir lachen beide. dann gesteht sie mir, dass sie alles schon hineingearbeitet und korrigiert hätte. wir hätten nun viel mehr zeit füreinander, und: wie lange ich heute bleiben könne. ich protestiere. ich möchte meine satzzeichen selbst setzen.

ich streiche viele ausrufezeichen. ich lege gedankenstriche in den text. ich arbeite mit dem doppelpunkt, nein, ich lasse mir von niemanden den doppelpunkt verbieten. meinetwegen ist es ein laut stotternder, ein hungriger text, aber die doppelpunkte bleiben. CONTAINER: erwähnenswert vielleicht: dass sich die Handlung langsam in den Keller verzieht. Vielleicht kann man sagen, wir sind nun in der Magengegend des Romans. Und: den Hinweis zu Sabia, dem Vogel aus der Familie der Arenaviridae und die Bekanntschaft mit der ganzen Sippe, verdanke ich mah.

(zu dranmor VI,1a-VI,1e; übersicht überschreibungen)

überschreibungen 14a

(where you’re between)

völlig ausgeblendet blieben bislang die materialien zur mottoanalyse. erst gestern kamen sie wieder in den sinn, als dieser part eines songs einfiel und ich überlegte, ob er nicht ein passendes dranmor-einstiegs- bzw. kapitelmotto wäre.

It’s not where you’re from

It’s not where you’re at

It’s not where you’ve been

It’s where you’re between

It’s not what you’ve been

It’s not what you’ve seen

It’s where you’re between

It’s not what you’ve seen

It’s where you’re between


(…)

super furry animals

noch immer ist also unklar, was noch mit den mottos (aus den gesammelten dichtungen dranmors) anzustellen ist. ob sie in die dranmor-kapitel einfliessen, oder nur als material dastehen. ob zeitgenössische analogien zu finden sind und als mottos (s.o.) vor den jeweiligen kapiteln stehen müssen.

natürlich muss auch generell über das verhältnis der gut positivistisch exzerpierten mottos zu den irgendwie in einklang zu bringenden verfahren (cut-up. exzerpte. fussnoten.) nachgedacht werden.* (inwieweit bspw. ein motto als analogon*** zu einer fussnote gedacht werden kann, etc.). dies hier also nur zur erinnerung bzw. als ort für weiter zu sammelndes („modernes“) material. ().

* eine ganz einschneidende idee ist es vielleicht auch, den primärtext (dranmor) plus die teile dieser serie (überschreibungen) plus der sich noch anschliessenden kurzerzählung (erzähler/lektorin, vielleicht wird es aber auch nur eine erzählskizze, AT=“Sie liest mich”), die hier schon ein wenig eingelassen wurde, sowie das ausgeschnittene primärmaterial (von schmid) zusammen** als bausatzroman zu denken. die beste darstellungsform scheint bis jetzt tatsächlich in einem weblog (bzw. vielleicht auch vorstellbar in einem tiddlywiki (s. “tunnel” bei arne vogelgesang)). aber, wie sähe das in buchform aus bzw. gibt es schon dergl.?

** als materialien der ordnungen 1-4, sozusagen, mit dementsprechend verschiedenen ICHs (verschieden, in wahrhaft doppelter und tödlicher bedeutung) als erzähler. somit muss der leser/die leserin mehr denn je zum ICH werden, will er/sie diese menge an identitäten irgendwie lesend bewältigen.

*** z.b. der funktionen der begrenzung eines blattes (oben/unten, beides sind natürlich begrenzende textelemente). z.b. der blattrandständigkeit, also, mit zu- oder einschreibungsfunktion externer bedeutung. oder.

(zu dranmor materialien; übersicht überschreibungen)

überschreibungen 14

(cut-up. exzerpte. fussnoten.)

auch: eine etwas unübliche (oder: unredliche?) methode der überschreibung ist natürlich die streichung, und dann: exzerpierung des übriggebliebenen. die bedenken, die in der passage kleine theorie des exzerpts formuliert werden, sind bedenken in mehrfacher hinsicht: darf man einen primärtext nehmen und xbeliebiges destillieren? in der literatur, denke ich, darf man, und nur dort. (). dann: diese exzerpte oder destillate (vielleicht erinnert es in manchen fällen dort auch ein bisschen an cut-up) –



aus: dranmor V,3 “(Oder: ein Traum)”

sie selber werden, lässt man sie so als gesamtpalimpsest stehen, nach einer gewissen zeit zu fussnoten ihrer selbst, oder, etwas anders formuliert: der vorgang der destillation (exzerpierung, collagierung … mit der präsentation im material/des materials), also hier auch des lesens auf einen zweck hin, generiert zwangsläufig fussnoten. (die primärtexte werden). oder (V,5a, Kleine Theorie des Exzerpts): Und: Dass all dies nur zur Fussnote taugte, die noch etwas sagen und bestätigen oder widerlegen soll, was nur beiläufig zu erwähnen ist und dann irgendetwas erhärtet. Dabei, scheint es mir, ist es unerheblich, wie lange das Gesagte, wie klein zerstückelt, wie – wieder miteinander verschachtelt und verkettet – das Erscheinungsbild des Entnommenen ist, es dient vor allem diesem einen Zweck, so meine Vermutung: bei mir konkret zu werden im Moment des Sinnlichkeitsverlusts. (… = der entkontextualisierung). (…). Die ganze Text- und Verkettungsgeschichte ist doch eine Missbrauchsgeschichte. Überhaupt: geschieht die Verkettung an sich doch in einem unbewussten Moment. Auch ein Fall für die Fussnote. Letztendlich kann man hier schon die Not der Veranstaltung sehen. Wozu, also?

Vielleicht für das Gefühl etwas getan zu haben: des Sexuellen des Schnittes und der Herauslösung, in einem heiligen Akt der Selbstversicherung und der Bedeutsamkeit des eigenen Tuns. Also setzt man verschwitzt seine Arbeit fort, denn man will ja gesund bleiben, auch wenn man nicht weiss, wohin das führen wird.
(dazu gehörte: ich weiss nun nicht mehr, wo ich das geschrieben habe: die ganze textgeschichte ist doch eine einzige fussnotengeschichte). (ganz sicher bin ich nicht, dass ich das (so) geschrieben habe …) .

sie meint, es täte ihr leid, aber diese stelle, ja, fast das ganze kapitel sei für sie völlig unverständlich, um nicht zu sagen: unlesbar. viel zu wirr und unsortiert. und dass jede andere lektorin dieses komplett umschreiben, wenn nicht streichen liesse. dann zieht sie sich an, putzt ihre zähne und will gehen. ich verspreche ihr auf dem weg nach draussen, dass ich es überarbeiten werde. ich finde einen wasserkocher und mache mir einen instantkaffee. mein handy klingelt.

CONTAINER: Keine Kommentare zu den u.g. Passagen/ Fragmenten. Aber: Zwischenzeitlich wurde ein kleiner Text mit dem Titel Dranmor Anagramme geschaltet. Dieser Text soll erst am Ende der ersten Lektüre auf seine hundertprozentige Umsetzung geprüft werden. Dann: noch eine Notiz für später: Warum fehlt V,2? Der Übergang zwischen V,1e und V,3 ist so ein viel härterer Schnitt als sonst üblich. Vielleicht bleibt es aber doch lesbar …

(zu dranmor V,3-V,6; übersicht überschreibungen)

überschreibungen 13

(phasen und strukturen)

sehr heterogen, die überlegungen zu und in diesem kapitel. und wenig haupttextbezogen. (muss auch mal sein). dafür ein paar gedanken zu grösseren strukturen. zuerst über die befürchtung, die generell in der 1. hälfte von kap. 5 aufkam: es ist etwas vage und betrifft alles, was ich (man) noch nicht erklären kann: ich hoffe, dass die bedeutung nachrückt (nur z.b.: stil- und themenwechsel, o.a. die geringe bedeutung von dranmor in dranmor, oder die unvermittelten montagen, die übergänge verlangen). in die elemente, die nicht geplant waren und ihre einfügung in “das ganze”. (und über die hoffnung: dass es überhaupt etwas ganzes ergibt, oder einen hauch davon oder eine ahnung). mit dieser hoffnung wurden auch die texte dranmors gelesen. dann auch über den zu erwartenden effekt: je mehr geschrieben wird, umso weniger scheint es auf einen formulierbaren kern (1 formulierbare bedeutung) hinauszulaufen. (fussnote: der exildiskurs bzw. das motiv erscheint mehr und mehr erzwungen und muss vielleicht etwas tiefer gehängt werden, vgl. a. das exposé: also etwa, dass so eine situation (die startsituation des erzählers) nur auslöser sein kann, über das schreiben zu schreiben z.b., endefussnote). und: ein weiteres problem beim tendenziell anschwellenden text: die trennungsängste, oder: die unfähigkeit zu streichen oder zu kürzen. (ich muss mir da noch ein system überlegen).

sie kann da natürlich auch ein paar tipps geben. in solchen fällen müsse man mit listen arbeiten. wie schön, dass so etwas wie ein inhaltsverzeichnis aller passagen schon existiere. und gut, wenn man jetzt schon begönne. ich sei ja an einem punkt angelangt, der entscheidungen forderte: man sehe, der zeitrahmen sei ohnehin gesprengt und man müsse den gesamten prozess neu entwerfen. am besten schon heute abend. wie es wäre mit heute abend. sie könne vorbeikommen in der stadt, heute abend, und kenne auch ein nettes, kleines, ja, fast unbekanntes restaurant, wenn ich befürchtungen hätte. sie werde einen tisch reservieren.

unbedingt festzuhalten, also, der neue zeit- und arbeitsplan für dieses jahr/projekt (entwurf): 1. phase (konsolidierung, bis ende april), daraus: manuskript version 2. – 2. klassifikation der passagen (0=zu streichen, 1-3=stark bis kaum/nicht zu bearbeiten). – 3. phase (zuerst überarbeitung der passagen mit klass1, dann klass2, bis ende august). – 4. konsolidierung, daraus: manuskript version 3. – 5. neues exposé*. – 6. vorlektorat (start: oktober?) so, ungefähr. CONTAINER: Natürlich, interpretiert man auf der Ebene dieses Zitats („Die beste Definition der Heimat ist Bibliothek.”, aus: Canetti, Blendung (zu V,1a)), schleicht sich das Heimat-/Exilmotiv wieder durch den Hintereingang hinein. Einer der wenigen, ausführlicher gewürdigten Orte des Textes ist tatsächlich die Bibliothek: als Arbeitsstelle, Wohnort, Identität, Gedächtnis/Erinnerung etc. Dann wurde die Frage aufgeworfen, ob es sich nicht vielleicht um einen Entwicklungsroman handelte: das muss man im nachhinein wahrscheinlich bejahen. Tatsächlich sind aber schon viele Gattungsbezeichnungen auf den Primärtext “Dranmor” angewendet worden, sodass man sich damit einmal gesondert auseinandersetzen müsste. Wie natürlich auch mit dem Pilzmotiv, das mehr und mehr als Symbol der Wucherung an sich fungiert und damit auf performativer Ebene natürlich auch diese Abteilung meint … * zuletzt und dort unbedingt mit hineinzunehmen: “das ich, als wartendes und stets neu sortierendes, als phasensignifikant.” und: “langeweile als positives konzept”. soweit. soso.

(zu dranmor V,1a-V,1e; übersicht überschreibungen)